Hintergründe

Warum habe ich die Bücher geschrieben?

Wenn man Kinder hat, die zur Schule gehen, erfährt man einiges über den Unterricht, die Lehrer, die Inhalte und die benutzten Bücher. Außerdem hat jeder von uns Erinnerungen und manchmal auch noch Schulbücher aus der eigenen Schulzeit.

Bei den Mathematikbüchern kann man grundlegende Mängel feststellen, die sich in den letzten Jahrzehnten noch drastisch ausgeweitet haben, nämlich:
 

  1. Der Blick auf das Wesentliche wird durch eine Überzahl von künstlich konstruierten „Anwendungen“ und „Alltagsbezügen“ verdeckt.
     
  2. Dagegen werden einige wirklich praxisrelevante Themen (z. B. Reihenentwicklungen und das Newton-Verfahren in der Differentialrechnung) höchstens am Rande erwähnt.
     
  3. Übersichtlichkeit und Systematik lassen zu wünschen übrig. Ein roter Faden ist nur schwer zu erkennen.
     
  4. Es wird kaum erklärt woher die Sachen kommen und wie die Menschen darauf gekommen sind. Es entsteht gewissermaßen eine emotionale Intuitionslücke. Nagende Fragen und Zweifel bleiben offen, zum Beispiel: woher kommt der Sinus, wie berechnet der Rechner die Sinuswerte, woher kommt die Eulersche Zahl und warum ist der Kosinus die Ableitung vom Sinus?
     
  5. Herleitungen und Beweise sind immer seltener geworden. Die so entstehenden klaffenden Lücken in der Darstellung erzeugen ein großes Unbehagen beim Leser.

 

Was unterscheidet meine Bücher von vielen anderen?

Während meines langjährigen Unterrichts auf verschiedenen Ebenen im In- und Ausland habe ich versucht, die genannten Mängel zu beheben.

So habe ich vor mehr als zwanzig Jahren begonnen, Zusammenfassungen von einigen Themen der Mathematik zu schreiben (aus denen dann die Bücher entstanden sind). Diese sollten den folgenden Anforderungen genügen:

  • Das Wesentliche des jeweiligen Themas sollte klar sichtbar sein.
  • Ausgehend von einigen anschaulich einleuchtenden Annahmen, sollte alles wirklich nachvollziehbar hergeleitet werden.
  • Der Gedankengang ist logisch und zeichnet zugleich die historische Entwicklung nach.
  • Jedes Beispiel hat ein klares Ziel.
  • Nur realistische Anwendungen betrachten, keine an den Haaren herbeigezogenen Beispiele und Anwendungen.
  • Die Übungsaufgaben sind zielorientiert.
  • Eine einfache Sprache benutzen.
  • Eine klare Gliederung, die der logischen Struktur des Themas entspricht.

 

Die allgemeinen (vom Thema des Inhalts unabhängigen) Anforderungen orientieren sich an den Verständlichkeitsuntersuchungen von Langer, Schulz von Thun und Tausch. Danach sind vier Faktoren entscheidend für die Verständlichkeit eines Textes: 

  • Einfache Sprache
  • Struktur und Gliederung
  • Mittlere Kürze
  • Anregende Zusätze

 

Die inhaltlich-mathematischen Anforderungen stehen weitgehend im Einklang mit den didaktischen-Überzeugungen von Leonhard Euler (1707-1783), die er im Vorwort („Vorbericht“) zu seiner Einleitung zur Rechen-Kunst darlegt:

 

VORBERICHT

Die Anzahl der Rechenbücher, welche sowohl in Deutschland als anderwärts herausgegeben worden, ist so gross und überhäuft, dass manchem diese Arbeit höchst unnöthig und überflüssig scheinen möchte. Allein da auf Allergnädigsten Kaiserlichen Befehl die Russische Jugend sowohl in der Arithmetik als Geometrie auf das fleissigste unterrichtet werden soll, so ereigneten sich sehr grosse Schwierigkeiten, wann man sich zu diesem Ende anderwärts gedruckter Anleitungen bedienen wollte.

Dann ausserdem, dass dazu auch in Russischer Sprache hinlängliche und taugliche Bücher erfordert werden, so würde auch die Verschreibung einer so grossen Anzahl Exemplarien, als vonnöthen sind, von anderen Orten her mit nicht geringer Unbequemlichkeit und wenigem Vortheil geschehen können: ein anderwärts verfertigtes und gedrucktes Werk aber nachzudrucken und ins Russische zu ubersetzen, hat man vieler Ursachen wegen Bedenken getragen. Über das befinden sich bei den meisten ausländischen Rechenbüchern solche Mängel, welchen man allhier abzuhelfen für höchst rathsam hielt.

Dann entweder sind darinn nichts als die blossen Regeln nebst einer grossen Anzahl Exempel enthalten; von dem Grunde aber und den Ursachen, worauf die Regeln beruhen, wird nicht die geringste Meldung gethan: oder dergleichen Anweisungen gehen zwar auf das wahre Fundament der Rechenkunst, der Vortrag aber ist so beschaffen, dass sich nicht leicht andere, als welche sich an die Mathematische Lehrart gewöhnet haben, darein finden können; und über das pflegt man sich bei solchen Abhandlungen nicht genugsam um die Vortheile und Compendia, wodurch die Fertigkeit und Geschwindigkeit im Rechnen erlanget wird, zu bekümmern, sondern begnügt sich, von allem den Grund nur mit kurzem anzuweisen.

Da nun die Erlernung der Rechenkunst ohne einigen Grund weder hinreichend ist, alle vorkommenden Fälle aufzulösen, noch den Verstand schärfet, als dahin die Absicht insonderheit gehen sollte; so hat man sich bemühet, in gegenwärtiger Anleitung von allen Regeln und Operationen den Grund so vorzutragen und zu erklären, dass denselben auch solche Leute, welche in gründlichen Abhandlungen noch nicht geübet sind, einsehen und verstehen können: dabei aber hat man gleichwohl die Regeln und Vortheile, welche im Rechnen zustatten kommen können, ausführlich beschrieben und mit Exempeln genugsam erläutert.Durch diese Einrichtung verhofft man also diesen Vortheil zu erlangen, dass die Jugend ausser der gehörigen Fertigkeit im Rechnen den wahren Grund von einer jeglichen Operation immer vor Augen habe, und dadurch zu gründlichem Nachdenken nach und nach angewöhnet werde.

Dann wann man auf diese Art nicht nur die Regeln begreift, sondern auch den Grund und Ursprung derselben deutlich einsieht, so wird man einigermassen in Stand gesetzt, selbsten neue Regeln zu erfinden und vermittelst derselben solche Aufgaben aufzulösen, zu welchen die sonst gewöhnlichen Regeln nicht hinreichend sind. Man hat auch im geringsten nicht zu befürchten, dass die Erlernung der Arithmetik auf diese Art schwerer fallen und mehr Zeit erfordern werde, als wann man nur die blossen Regeln ohne einigen Grund vorträgt. 

Dann ein jeder Mensch begreift und behält dasjenige im Gedächtnis viel leichter, wovon er den Grund und Ursprung deutlich einsieht; und weiss sich auch dasselbe bei allen vorkommenden Fällen weit besser zu Nutz zu machen. Über das wer eine jegliche Kunst und Wissenschaft aus dem Grunde erlernet, der sieht auch ohne Anleitung von selbsten viele Sachen ein, welche in Ermanglung des Grunds demselben mit grosser Mühe beigebracht werden müssen.

Insonderheit aber ist eine solche gründliche Anleitung zur Arithmetik zur Unterrichtung der Jugend um so viel nützlicher und nöthiger, da dieselbe eine ziemlich lange Zeit in Sprachen und anderen Stücken, bei welchen eine gründliche Erkenntnis nicht einmal stattfindet, unterwiesen, dabei aber im geringsten nicht angeführet wird, einer Sache gründlich nachzusinnen; woraus nachgehends bei allen Unternehmungen nicht geringe Hindernisse entstehen.

Diesem Fehler kann nicht wohl füglicher abgeholfen werden, als dass man der Jugend die Arithmetik, welche ohne das in diesen Jahren erlernet werden muss, auf das gründlichste vortrage, und dadurch die Gewohnheit, richtig zu denken, beibringe. Zu diesem Endzweck ist auch kein Studium bequemer als die Mathematik, dann darinn wird alles aus den ersten Grundsätzen unserer Erkenntnis auf das deutlichste hergeleitet und auf das gründlichste bewiesen, dahingegen in den anderen Wissenschaften sich noch sehr viel Undeutliches und Unrichtiges befindet, auch sogar öfters falsche Sachen für Wahrheiten ausgegeben werden.

Um dieser Ursachen willen hat man in gegenwärtiger Abhandlung die arithmetischen Regeln und Operationen aus der Natur der Zahlen selbst und der Beschaffenheit der gebräuchlichen Charactere so hergeleitet, dass ein jeder auch ohne besondere Anführung sowohl die Operationen begreifen und darinn eine Fertigkeit erlangen, als auch den Grund davon verstehen kann.

Man hat zu diesem Ende die ganze Anleitung in Sätze verfasst, in welchen entweder die Regeln selbst, oder was zum Begriff derselben dienet, kurz und deutlich vorgetragen wird. Diesen Sätzen sind ferner ausführliche Erklärungen beigefüget, worinn dasjenige, was in einem jeglichen Satze enthalten ist, genugsam erläutert und der Grund davon angezeiget wird: und endlich hat man einer jeden Operation einige Exempel angehängt, aus welchen der Nutzen und Gebrauch derselben ersehen werden kann. 

Was die Ordnung und Einrichtung des ganzen Werks selbst betrifft, so hat man für das erste aus der Arithmetik nur dasjenige abgehandelt, was gemeiniglich von den Rechenmeistern gelehret zu werden pflegt, und in dem gemeinen Leben unentbehrlich ist.

Hierauf folget sodann derjenige Theil der Arithmetik, welcher zu der Geometrie und den übrigen Theilen der Mathematik erfordert wird, und die Dezimalrechnung nebst der Extractione Radicum in sich begreift, und endlich auch die Lehre von den Logarithmis und derselben Gebrauch erkläret. Die gemeine Arithmetik wird am füglichsten in zwei Theile zertheilet; davon der erstere die so genannten Species mit ganzen und gebrochenen Zahlen erstlich an und für sich selbst, und dann die Application derselben auf verschiedene Sorten als von Münzen, Maass, Gewicht und dergleichen in sich fasst. In dem zweiten Theile werden die verschiedenen Regeln der Arithmetik erkläret werden, so zu Auflösung verschiedener im gemeinen Leben vorkommenden Aufgaben dienen, als da sind die Regula de tri sowohl Directa als Inversa, die Regula Quinque, die Regulae Societatis, Alligationis, und dergleichen. Endlich wird der dritte Theil, wie schon gemeldet, diejenigen Operationen der Arithmetik in sich enthalten, welche zu den geometrischen und übrigen mathematischen Rechnungen insonderheit erfordert werden.“

Anmerkung: Die Hervorhebungen durch Fettdruck stammen von mir, nicht von Euler.

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